»Wählen gehen ist Macht«

(Artikel EM) Die Botschaft der Bundestagsabgeordneten Frauke Heiligenstadt, SPD, war eindeutig: Es ist wichtig, dass möglichst viele Menschen ihre Stimme bei der Europa-Wahl am 9. Juni abgeben: Denn nur dann bekämen
die rechtsextremistischen Parteien weniger Gewicht.
Rund um den Europatag am 9. Mai besucht die SPD-Abgeordnete Schulen, diesmal war sie beim zehnten Jahrgang in der Goetheschule und stellte sich den Fragen der Schüler. Die 57-Jährige ist Diplom-Verwaltungswirtin, hat 17 Jahre bei der Kommunalverwaltung gearbeitet, war rund 20 Jahre Landtagsabgeordnete und ist aktuell seit zweieinhalb Jahren Bundestagsabgeordnete.
Die Sozialdemokratin ist in einer politisch interessierten Familie aufgewachsen, hat sich in ihrer Jugend für einen Jugendraum in ihrer Gemeinde eingesetzt. Dass das Schüler-BAfög damals durch die CDU gestrichen wurde, fand sie »total ungerecht«. Der Schulbesuch dürfe nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen, unterstrich sie, und das habe sie dazu bewogen, sich politisch zu engagieren.
Rund 450 Millionen Einwohner zähle die EU, die damit einer der größten Handelsplätze der Welt sei. Die EU-Staaten einten gemeinsame Werte und der gemeinsame Wunsch, den Frieden zu sichern.
Auf europäischer Ebene bringen drei Organe Gesetze ein: das Parlament, die Kommission und der Ministerrat. In Kommission und Ministerrat werden die Mitglieder entsandt, im Parlament von den Bürgern gewählt. Ge-
rade in diesen Zeiten, in denen es in verschiedenen Regierungen rechte Tendenzen gebe, sei es wichtig, dass progressive Parlamentarier ein Gegengewicht bildeten, sagte Heiligenstadt. »Je mehr Menschen wählen gehen,
desto weniger Bedeutung haben rechtsextremistische Parteien. Wählen gehen ist Macht«

Als »rechtsextremistischer Verdachtsfall« wird die AfD in einigen östlichen Bundesländern vom Bundesverfassungsschutz eingestuft – Stichwort: Remigration. Sobald hetzerische Reden gehalten würden, müssen man
dagegen stehen, sagte die Abgeordnete, die AfD-Abgeordneten auch sexistische Äußerun-
gen zuschrieb.
Die Wahrung der Menschenrechte, die Friedenssicherung, die Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit würden die Länder der EU verbinden. Die Reisefreiheit, die gemeinsame Währung, die Förderung des Schüler- oder Studierenden-Austausches seien Errungenschaften der EU. Dem von der AfD favorisierten »Dexit« erteilte die Sozialdemokratin eine Absage. Denn das hätte »massive wirtschaftliche Auswirkungen, beispielsweise müssten Unternehmen dann Zölle zahlen. Ein »Dexit« würde
die deutsche Wirtschaft »in die Knie zwingen«.
Dabei sei Deutschland die drittstärkste Volkswirtschaft der Welt. Die wirtschaftliche Situation sei stabil, wenn auch das Wachstum derzeit gering sei. Starke Nationen müssten schwächere unterstützen: beispielsweise beim Klimaschutz, der nicht an den Grenzen halt mache. Und Co2-Reduktion müssten alle Staaten machen.
Warum der Fußweg in Peru gebaut werde und nicht in Schulen investiert werde, darauf zielte eine Frage ab. Das seien Parolen, die auf TikTok umherschwirrten und die schlichtweg falsch seien. TikTok ist nach Meinung Heiligenstadts zu einem hohen Prozentsatz rechtspopulistisch durchsetzt.
Der festgeschriebenen Schuldenbremse steht die Abgeordnete skeptisch gegenüber, sie möchte sie modifizieren, stärker investieren und hierfür Kredite aufnehmen – wenn dadurch Gegenwerte geschaffen werden. Inves-
titionen in Schiene, Straßen, Klimaschutz seien notwendig. Nur zu sparen, sei Politik der 1990er Jahre und jetzt nicht sinnvoll. Der Bundes-Gesamt-Etat liegt bei 348 Milliarden Euro.

Heiligenstadt arbeitet mit im Finanzausschuss und ist damit mit der Harmonisierung von EU-Recht in nationales Recht beschäftigt. Ihre wöchentliche Arbeitszeit liegt bei rund 80 Stunden, weil sie auch am Wochenende arbeitet. Für sie tätig sind acht Mitarbeiter, 300 bis 500 Mail erreichen die Abgeordnete jeden Tag. Darunter finden sich leider auch Bedrohungen. Bedrohung von Rechtspopulisten gegen demokratische Abgeordnete empfinde sie als negativen Stress. Ansonsten mache ihr
die Arbeit aber Spaß.
Der Europatag wird alljährlich am 9. Mai für Frieden und Einheit in Europa begangen. Er markiert den Jahrestag der Schuman-Erklärung, in der Robert Schuman seine Idee für eine neue Form der politischen Zusammenarbeit in Europa vorstellte, die einen Krieg zwischen den Nationen Europas undenkbar machen sollte. Robert Schumans Vorschlag gilt als Geburtsstunde dessen, was heute Europäische Union genannt wird.
sts