Ungewisse Zukunft

Sie wollen arbeiten. Aber zu anderen Bedingungen als ihre Eltern oder Großeltern. Sie wollen Verantwortung übernehmen, fühlen sich aber übergangen von der Politik. Für viele junge Leute in
Deutschland ist die aktuelle Situation demotivierend, sie erleben Kon­troll­ver­lust und fürchten ein immer teurer werdendes Leben mit sozialen Spannungen. Das zeigt die aktuelle repräsentative Studie „Jugend in
Deutschland“, für die Anfang des Jahres mehr als 2000 14- bis 29-Jährige befragt wurden. Die Verunsicherung sitzt demnach tief.
„Es gibt einen Verlust des Vertrauens in die Beeinflussbarkeit der persönlichen und gesellschaftlichen Lebensbedingungen“, sagt Studienleiter Simon Schnetzer.
Das hat Auswirkungen:
11 Prozent der Befragten sind in psychologischer Behandlung. Mehr als die Hälfte der Befragten fühlt sich gestresst, mehr als jeder dritte erschöpft, antriebslos und voller Selbstzweifel. 9 Prozent gaben gar
an, Suizidgedanken zu haben.
Kriege in der Ukra­i­ne und im Nahen Osten, Klimawandel, Inflation, fehlender bezahlbarer Wohnraum, Altersarmut und die Spaltung der Gesellschaft treiben junge Menschen in Deutschland um und wirken sich negativ auf die psychische Gesundheit aus.
„Wir haben es mit einer Generation zu tun, die im Wohlstand groß geworden ist und die Krisen schlecht wegstecken kann“, sagt Klaus Hurrelmann, Sozialforscher und Mitautor der Studie.
Doch ein weiterer Faktor kommt hinzu: Die Jugend spürt ein Ohnmachtsgefühl.
Die Corona-Zeit habe den Eindruck hinterlassen, keine Kon­trol­le zu haben und dass Politik und Gesellschaft die Bedürfnisse der Jugend übergehen. Viele machten deshalb keine Zukunftspläne mehr. „Die At-
mosphäre, die Corona geschaffen hat, der damit einhergehende Kontrollverlust, ist geblieben“, sagt Hurrelmann. Weil die Jugend das Gefühl habe, Verhältnisse nicht beeinflussen zu können, fehle es an Mut.
Die Folge: Von einem „Rechtsruck“ bei überwiegend politisch interessierten jungen Leuten (97 Prozent) spricht Hurrelmann.
Waren in der Altersgruppe bei der letzten Bundestagswahl noch Grüne und FDP am stärksten, haben diese an Zustimmung verloren.
Anfang des Jahres gaben dafür 22 Prozent an, die AfD wählen zu wollen, 13 Prozent mehr als noch vor zwei Jahren.
Das sei, so die Studienleiter, zum einen ein Zeichen gegen die Regierung. Zum anderen dominieren Ängste um etwa un­kon­trol­lier­te Zuwanderung, die eigene Sicherheit und die wirtschaftliche Zukunft
 „Sie haben das Gefühl, dass sich der Staat nicht um die Jugend kümmert und das führt zu rechten, staats- und ausländerfeindlichen Haltungen“, sagt Hurrelmann.
Der dritte Punkt ist die AfD selbst. Die ist auf Tiktok stark vertreten – und zusammen mit anderen sozialen Medien ist das der wichtigste Informationskanal der jungen Menschen. Um deren Aussagen wiederum
kontextualisieren zu können, bräuchte es eine bessere Vermittlung von Medienkompetenz in Schulen. Lou­i­sa Charlotte Basner ist Generalsekretärin der Bundesschülerkonferenz. Für sie kommen die Ergebnisse
nicht überraschend. Ihre Bitte: „Die Politik muss mehr in Schulpsychologie und -sozialarbeit investieren.“ Auch der Politikunterricht müsse reformiert werden. Derzeit seien etwa viele Schülerinnen und Schüler nicht für die NS-Zeit sensibilisiert und könnten auch keine Verbindung zu heutigen Ereignissen herstellen.
Immerhin – trotz des vorherrschenden Pessimismus ist der gern gemachte Vorwurf Älterer, die Generation Z sei faul, nicht wahr.
70 Prozent der jungen Erwerbstätigen gaben an, ihre Arbeit gern zu machen.
Mehr als die Hälfte fordert aber eine Bezahlung für Überstunden. Geld ist demnach kein Motivationsfaktor, kein Geld aber ein Demotivationsfaktor. Schnetzer sagt: „Die jungen Leute
streben eine bessere Work-Life-Ba­lance an – und das jetzt. Aufgrund der mul­ti­plen Krisen ist die Zukunft
für sie unberechenbar.“