Jugendkirche: »Märchenhaft« für eigene Ziele kämpfen
Eine dominante Mutter, die für ihren Sohn die Ehefrau aussucht und gleich dazu den Hochzeitstag, und dessen eigenen Willen zu reisen und das Leben kennenzulernen, zu- nächst nicht akzeptieren will: Das war der Kern der Geschichte des
Wintermärchens »Die Prinzessin auf der Erbse« der Jugendkirche »marie«.
Die rund 70 beteiligten Jugendlichen hatten unter der Leitung der Kirchenkreisjugendwartin Ann-Jolin Froböse drei Monate dieses Stück mit zahlreichen Szenen, vielen Zwischen-Anekdoten, farbenprächtigen Kostümen und einem passenden Bühnenbild erarbeitet: rechts etwas höher mit rotem Stuhl und Königsfoto der Raum der Familie, links oben in blau angeleuchtet das Nest der Eule und ein Bett sowie in der Mitte das Zimmer mit Tisch, drei weißen Stühlen und angedeuteten großen Fenstern. Das Premierenpublikum in der vollbesetzten Neustädter Kirche war begeistert von der gesamten Inszenierung.
Eule Elke (Esther Gerstenkorn) in braunem Fellfleecekostümmit prächtiger Augenschminke, gab krächzend die Erläuterungen und kommentierte von hoch oben das Geschehen.
Auf Schloss Eulenstein leben Königin Viktoria (Leana Kieß) und König William (Anton Deichmann) mit Sohn Prinz Willi (Alfred Steinhoff). Kostüme und Schminke waren bei allen sehr gelungen: Hier war es das Herrscher-Blau:
Reifrock-Kleid, Umhang sowie Oberteil mit goldenen Applikationen. In diesem Schloss regiert die Königin. Was sie sagt, wird gemacht, ihr liebender, originell spielender »Gatte« ver- sucht, in Berliner Dialekt, mit listigen Kompro-
missen und Geschenken stets »gut Wetter« zu machen.
Die Königin hat also Prinzessin Charlotte (Joana Strunk) für den Sohn als Ehefrau ausgesucht. Sie will noch den »Erbsen-Test« unter den Matratzen machen. Anderntags soll schon Hochzeit sein. Charlotte im roten Kleid ist kess
und selbstbewusst, das Gegenteil des zierlichen, schüchternen Prinzen, der am liebsten mit seinem Freund Leopold (Helle Hornbostel) angelt, Schach spielt und nicht heiraten will.
Große Sympathien für Charlotte empfindet er nicht. Doch weil sie gern tanzt, versucht er vergeblich, sie mit Breakdance zu beeindrucken. Der Tip sei von seinem Vater. Auch seinen ersten Fischfang im Glas, längst tot, »einen Untenschwimmer, der gerade entspannt«, will er ihr geben.
Leopold, typmäßig angelegt wie Hape Kerkeling, soll den Prinzen auf die Hochzeit vorbereiten. Phase eins, so Leo, sehe das Ehegelübde vor. Er hat notiert: So leben wie Willis Eltern – das will Willi natürlich nicht – Phase zwei, die Ringe –
hat Willi natürlich nicht – und Phase drei: »Ihr lebt glücklich bis ans Ende eurer Tage.«
Auch eine etwas planlose und naiv gespielte Hochzeitsplanerin in Latzhose gibt es: Anisa (Isabel Behrens), die erstmal das Königspaar nach Dekomaterial von deren Hochzeit fragt
und dann den Keller sucht.
Sie delegiert die Hochzeitsvorbereitungen an die Kammerdiener, den vom Alter krummen Reinhard im roten Frack (Jonathan Meyer) und seine Söhne, in lila und grünen Fräcken mit Westen und Zylindern, Florian Flieder (Carl Mahnke) und Torian Tannengrün (Dominik Heßler). Beinahe slapstickmäßig sind ihre Rollen: Reinhard pfeffert die Suppe so, dass Florian nach einer Kost- probe den Wein austrinkt. Alle schlafen dann, und nix ist mit Vorbereitungen.
Während König, Sohn und Leopold denJunggesellensabschied nicht in Form einer Party feiern, sondern eine Partie Schach spielen, klopft es bei stürmischemWetter ans Tor.
Prinzessin Frida (Pauline Röpke), dargestellt als natürlich wirkendes Mädchen mit Haarzopf und Schürzenkleid, hat sich verirrt. Der König mit Regenschirm überlegt zunächst, ob er sie reinlassen darf: Denn mit seiner Frau entscheide er 50 zu 50,
aber meistens 49 zu 51. Doch Prinz Willi, seine Schüchternheit überwindend, ist sofort begeistert, bittet sie herein und gibt ihr eine wärmende Decke.
Frida ist bei der Königin nicht will- kommen. Sie darf nur bleiben wegen des Schneesturms draußen. Nun wird es etwas ernster: Willi ist verzweifelt, weshalb seine Mutter so mit Menschen umgeht: »Kann sie nicht
daran denken, dass andere auch Ge- fühle haben?« Frida ermutigt ihn:
»Dann musst du mal gegen deine Mutter steh’n.« Er müsse sie überzeugen, dass er reisen wolle und nicht heiraten.
Nun sei der große Tag gekommen, erklärt die Königin: »Weihnachten?«, fragt der König listig. Charlotte erklärt auf die Frage der Königin, hervorragend geschlafen zu haben. Sie sei keine wahrhaftige Prinzessin, erbost sich Viktoria und sagt die Hochzeit ab. Was sie nicht weiß: Der kluge Leopold hat die Erbse ver- schwinden lassen, berichtet er Willi. Die Eule hat sie in das Bett von Frida gelegt, die nun Rückenschmerzen hat.
Das Happy End: Nein, keine Hochzeit, sondern ein Sohn, der ermutigt durch Frida, bei seiner Mutter um seine Rechte kämpft, um ihr Verständnis bittet, zu reisen und eigene Erfahrungen zu machen und die Regentschaft später
anzutreten sowie eine kluge Mutter, die nach- gibt und ein umso mehr liebender Gatte.
Hierist der Schluss dann ein gemeinsamer Weihnachtsgesang, ein eigener Text nach der Melodie der »Weihnachtsbäckerei«.
Alle Darsteller gaben ihren kommentieren- den, machtvollen, schüchternen, lustigen, klu- gen und listigen Charakteren sehr individuelle Züge, spielten absolut glaubwürdig und sehr gelungen. Dieser Spielfreude und dem Stück
zuzuschauen, machte Spaß. Viel, viel Schluss- applaus!
Carolin Arlt und Lukas Oppermann hatten die Leitung, begrüßten die Zuschauer und dankten mit Ann-Jolin Froböse den Akteuren
zum Abschluss mit Rosen.
Zu Beginn spielte und sang Julia Heitmüller Weihnachtliches auf der Gitarre.