Ein Rückblick vor dem großen Finale

Einbeck –  (Artikel Die Eule) Am 3. August wäre Franz Cestnik 100 Jahre alt geworden. Mit diesem runden Geburtstag endet ein engagiertes Cestnikjahr, das als Langzeit-Kunstprojekt an seinem 99. Geburtstag begann. Die Initiatoren haben dabei offensichtlich den Claim „Cestnik kennt jeder“ als Motivation verstehen wollen. Mit großen Werbebannern und vielen, meist interaktiven Kunstaktionen, vor allem aber auch mit so auffälligen Kunstwerken – wie dem gut 12 Meter hohen riesigen Cestnik-Mural an den BBS Einbeck – ist es gelungen, sehr viele und dabei vor allem auch junge Einbecker*innen mit dem Einbecker Künstler und seinem Werk vertraut zu machen.

In der Jungen Linde am Hubeweg 1 werden – noch bis zum 1. August – vielfältige Werke von Schüler*Innen ausgestellt, die sich über längere Zeiträume intensiv mit Arbeiten des Künstlers auseinandergesetzt haben. Am vergangenen Sonnabend gab es auf der Zielgeraden zum 100. dann noch einmal eine Bodypainting-Performance, bei der die renommierte Bodypainting-Künstlerin Anja Monika Walther alias brush_peak_bodypainting einen Frauenkörper in ein Cestnikwerk verwandelte, und ein Cestnik-Kunstflashmob in der Langen Brücke machte spontan Passanten zu Künstlern im Stile des Meisters.

Den Konzert- & Kulturfreunden Einbeck – und allen voran Patricia und Martin Keil sowie Rainer Cestnik, Sohn des Künstlers – ist es über 12 Monate gelungen, zahlreiche Unterstützende für das Gesamtkunstwerk Franz Cestnik zu begeistern. Dieses ambitionierte Unterfangen, das einem Marathonlauf ähnelte, ist trotz der Widrigkeiten der Pandemie, die alle Aktionen von Anfang an begleitete und erschwerte, ein schöner Erfolg geworden.

Neue Orte in Einbeck wurden mit der Kunst Franz Cestniks ‚bespielt‘, so z.B. das Geburtshaus des Künstlers in der Wolperstraße 25, in dem eine Dauerausstellung seiner Werke gezeigt wird. Ungewöhnlich und zugleich faszinierend ist vor allem auch, dass für die Präsentation seiner Kunst die traditionellen (Innen-)Räume verlassen wurden, so dass jetzt Motive mit Cestniks Bildern den öffentlichen Stadtraum verschönern, etwa ein Stromkasten unweit des Geburtshauses, der eines seiner Werke auf die Augenhöhe von Kindern bringt, oder das Wandbild / Mural einer Frau, das an der Ziegelwand des Alten Backhauses direkt am Franz-Cestnik-Platz zu sehen ist, vor allem aber das riesige Mural, das nach einem Ölbild von 1981 gestaltet wurde und jetzt das Haus 5 der BBS am Hullerser Tor aufwertet. Cestnik gab ihm den lapidaren Titel ‚Clown‘, ohne jeglichen erklärenden Zusatz, obwohl das Bild formal und inhaltlich sehr komplex ist. Besonders beeindruckend ist die tänzerisch-akrobatische Haltung der Clownsfigur, die dem Wandbild eine große Leichtigkeit verleiht, was bei der enormen Vergrößerung des ursprünglichen Ölbilds, das im Original gerade mal 90 x 120 Zentimeter misst, nicht unbedingt zu erwarten war. Nicht nur der Clown scheint zu fliegen, er versetzt auch die Menschen, die sein Abbild betrachten, in einen gut gelaunten Schwebezustand. Renatus Döring, der Leiter der Schule, bezeichnete das Mural für die BBS als „meistgelikten Instapost ever“.

Es ist den Veranstaltenden mit vielen Aktionen gelungen, vor allem junge Menschen zu einem aktiven, kreative Potentiale freisetzenden Umgang mit der Kunst Franz Cestniks anzuregen, wodurch sich erfrischend neue Blicke auf dessen Werke eröffneten. Obendrein ist es gelungen, Cestnik, der ein Leben lang seiner Heimatstadt treu geblieben ist, auch dadurch im Gedächtnis der Stadt zu verankern, dass ein Platz nach ihm benannt wird. In seiner sprichwörtlichen Bescheidenheit hätte er selbst so etwas weit von sich gewiesen. Auch in der Cestnik-Galerie in der Tiedexer Straße hat sich im Kunstjahr einiges verändert. Neben den wechselnden Kabinettausstellungen gab es Malaktionen, bei denen man live miterleben konnte, wie kreative Malerinnen Werke des Künstlers neu interpretierten und um neue Facetten ergänzten. Zum Abschluss des Einbecker Kunstjahres zeigt die Galerie vier Ölbilder, die als Motive für Kaffeedosen verwendet wurden, die Alexander Pohl, der Betreiber der Einbecker Kaffeerösterei am Marktplatz, im Laufe des Jahres verkauft hat, um seinerseits dafür zu sorgen, dass Cestnik verstärkt im Stadtgespräch präsent war. Neben den Ölbildern werden also auch die Kaffeedosen gezeigt.

Das absolute Highlight zum Abschluss des Cestnik-Jahres wird nun am Dienstag, 3. August, ab 18 Uhr die Geburtstagsfeier zu erleben sein, zu der auf den Franz-Cestnik-Platz am Pfänderwinkel eingeladen wird. Es wird ein buntes Programm geben, unter anderem mit beschwingter Musik. Feierliche Stimmung wird aufkommen, wenn die Bürgermeisterin der Stadt Einbeck, Sabine Michalek, den Platz dann offiziell auf den Namen „Franz-Cestnik-Platz“ taufen wird. Das Ende des Cestnik-Jahres ist nun vor allem aber auch der Beginn eines in der Stadt Einbeck fest verankerten Bewusstseins zum Werk des Einbecker Künstlers. Und, so lassen die Patricia und Martin Keil wissen, es wird auch in Zukunft immer wieder kleinere und auch aufwändige Kunstperformances rund um das Lebenswerk Franz Cestniks geben.