Auf musikalischer Zeitreise in die 70er Jahre

(Artikel em) Schlaghosen und schrille Muster, Discokugeln und unvergessene Hits, aber auch Schicksale, die nahe gehen: Eine wunderbare musikalische Zeitreise hat das Musical »Saturday Night Fever« im Wilhelm-Bendow-Theater möglich gemacht, ein Paulis-Gastspiel.

Wer in den späten 50er oder in den frühen 60er Jahren geboren wurde, hat die Disco-Ära bewusst miterlebt, und die Texte saßen vermutlich noch bombensicher. Es gab eine Menge begeisterten Beifall für ein treffsicher inszeniertes Stück, das bereits, man glaubt es kaum, 40 Jahre alt, aber immer noch lebendig geblieben ist.

»Stayin’ Alive«, am Leben bleiben, das Leben fühlen, das will Tony Manero, ein junger Italo-Amerikaner, der in Bay Ridge im New Yorker Stadtteil Brooklyn zuhause ist. Nicht die beste Gegend, aber Tony kommt zurecht. Er wohnt noch zu Hause bei seiner Mutter; der Vater hat die Familie verlassen. Bruder Frank junior ist Priester und der Stolz der katholischen Mama. Tony arbeitet bei Mr. Fosco im Farbengeschäft. Die Kunden mögen ihn. Aber unvergleichlich gut fühlt er sich nur, wenn er am Sonnabend in die Disco gehen kann, »2001 Odyssey« heißt sie.

Dafür wirft er sich in Schale, in enge Hemden und weite Hosen, gelt die Haare. Dort werden noch »Platten aufgelegt«, und tanzen ist das Größte für Tony und seine Freunde. »Disco Inferno/Burn, Baby, Burn«, und »Night Fever« vermittelten dem Publikum die Anziehungskraft dieses Ortes, und da wurde dann auch mitgeklatscht.

Mit Hits wie »Jive Talking«, »Nights on Broadway« oder »You Should Be Dancing« wird die Geschichte erzählt von Jungs, die von Geld träumen, das bei ihnen nie reicht, von Mädchen und Sex, von Drogen, mit denen sie durchhalten in der Disco jede Samstagnacht. Ein selbstkritischer Blick auf die Situation macht Tony traurig, da erklingt »Night Fever« auch schon mal in Moll.

Das Leben geht für Tony auf und ab: Eine Chance, zu Geld zu kommen, sieht er im großen Wettbewerb der Disco: 500 Dollar sind der Gewinn. Aber dafür muss er noch mehr trainieren, und er braucht eine Partnerin. Annette aus der Clique, die mehr von ihm möchte, ist ihm nicht talentiert genug, und sie interessiert ihn auch als Freundin nicht. Stephanie Mangano dagegen begeistert ihn sofort, aber sie lässt ihn arrogant immer wieder abblitzen, hält sich, weil sie in Manhattan arbeitet, für etwas Besseres. Da muss Tony sich mächtig ins Zeug legen, um sie zu überzeugen.

Während er sich auf den Wettbewerb vorbereitet, dreht sich seine Welt immer schneller. Bruder Frank verlässt die Kirche, eine Katastrophe für die Mutter. Tonys Freund Bobby hat seine Freundin Pauline geschwängert. Er wird sie heiraten müssen, was ihm gar nicht gefällt. »Tony kriegt alles auf die Reihe« – so sehen andere ihn, aber er selber hat das Gefühl, dass die Zukunft nicht viel auf ihn gibt. »Tragedy« und »Who’s Sorry Now« begleiten Treffen mit Freunden und die Vorbereitungen für den Wettbewerb, wobei Tony mit seinen Kumpels Joey und Double J in eine Schlägerei gerät und sich verletzt. Aber trotzdem kann er mit Stephanie im »Odyssey« gewinnen. Doch es fühlt sich für ihn nicht richtig an: Er gibt Pokal und Gewinn weiter an das Latino-Paar, das seiner Ansicht nach besser war.

Als die Clique anschließend über den Abend spricht, macht Bobby ihm Vorwürfe, dass er ihn nicht, wie versprochen, angerufen hat. Bobby beginnt, auf einer Brücke herumzuklettern, er will kein Angsthase mehr sein – und stürzt in die Tiefe.

Das ist ein schwerer Schlag für Tony, Geister suchen ihn heim. Immerhin hat er seine Spannungen mit Stephanie beilegen können – er hilft ihr beim Umzug nach Manhattan, und sie beschließen, Freunde zu sein. »How Deep Is Your Love?«, ihr gemeinsames Lied, lässt aber offen, ob da nicht doch mehr ist.

Für Regie und Choreographie war Hakan T. Aslan zuständig. Er erzählt die Geschichte mit Tiefsinn: Soziale Unterschiede, Liebe, Freundschaft und die Suche nach Erfolg bestimmen das Leben der jungen Leute – aber beim Tanz spielen sie dann doch keine Rolle. Grundlage war das Musical von Robert Stigwood und Bill Oakes in einer neuen Version von Ryan McBryde mit deutschen Dialogen von Anja Hauptmann. Verantwortlich war Frank Serr Showservice.

Marius Bingel glänzte in der Rolle des Tony Manero, Carina Fitzi begeisterte als Stephanie Mangano, und Nadine Kühn spielte die Annette. Unter den weiteren Ensemble-Mitgliedern stach besonders die Stimme von Fynn Duer-Koch hervor, DJ im »Odyssey«. Insgesamt 16 Mitwirkende sorgten auf der Bühne für ein buntes Bild in perfekter Choreographie, nahmen die Zuschauer im sehr gut besuchten Bendow-Theater ohne Probleme mit in die 70er Jahre, ließen sie schwelgen in den Hits der Bee Gees. Und so gab es am Ende viel Applaus, und das in bester Disco-Manier glitzernde Finale wurde noch mit einer Zugabe verlängert – es war ja Samstagnacht und Disco-Zeit.